
Das Tsukimi, das Mondschau-Festival, hat in Japan eine langjährige Tradition, mit der die Schönheit des Herbstmondes, in der Regel des Vollmonds im September, gefeiert wird. Es ist der Zeitpunkt, an dem der Mond am Herbsthimmel am vollsten und strahlendsten erscheint. Das Tsukimi (wörtlich übersetzt: Mond betrachten) richtet sich traditionell nach dem Mondkalender und findet am fünfzehnten Tag des achten Monats statt, um die reiche Ernte zu feiern und Dankbarkeit für eine erfolgreiche Saison auszudrücken. In diesem Jahr war die Nacht des Erntemondes jap. Jugoya‚ der 29. September.

Die Tradition des Mondbetrachtens reicht in Japan bis in die Heian-Zeit (794 bis 1185) zurück und wurde ursprünglich vom chinesischen Mondfest inspiriert, das den Herbstvollmond und die Ernte feiert. Die japanische Elite der damaligen Zeit, insbesondere Aristokraten und Höflinge, versammelte sich zu speziellen Mondbetrachtungsfesten, die auf Booten oder an Seeufern stattfanden, wo sich der Mond besonders eindrucksvoll im Wasser spiegelte. Diese Tradition verbreitete sich im Laufe der Jahrhunderte auch unter der breiten Bevölkerung und wurde zu einem festen Bestandteil des japanischen Kalenders.
Tsukimi – das bedeutet, sich in einer klaren Herbstnacht Zeit zu nehmen, um den Vollmond in seiner ganzen Pracht zu bestaunen. Für einen Moment scheint die Welt stillzustehen, und man erkennt die stille Größe des Universums. Wie der Mond sich in Ruhe über die Landschaft erhebt, können auch wir uns gelegentlich über die Dinge stellen, die uns im Alltag belasten.
Während des Tsukimi-Festes legen die Menschen in Japan traditionell Opfergaben wie Dango (Reisknödel), Taro und Früchte der Saison aus, um den Mond zu ehren, und arrangieren oft Silbergras (susuki), um sich für eine reiche Ernte zu bedanken.
Das Suzuki-Gras, in Japan auch bekannt als Susuki oder wissenschaftlich Miscanthus sinensis, ist eine sehr geschätzte Pflanze, die vor allem im Herbst eine ganz besondere Bedeutung in der japanischen Kultur einnimmt. Oft auch als Japanisches Silbergras bezeichnet, ist es für seine sanft wiegenden, silbrig schimmernden Halme bekannt, die in der Herbstbrise tanzen und eine fast hypnotische, meditative Atmosphäre schaffen. Es steht für Vergänglichkeit und Schönheit. Ähnlich wie die Kirschblüte im Frühling symbolisiert Suzuki-Gras die Kurzlebigkeit des Lebens, denn die zarten Halme mit ihren flauschigen Spitzen verblassen schnell und werden schließlich vom Wind verstreut. Diese Assoziation mit der flüchtigen Natur des Lebens ist tief in der japanischen Ästhetik verwurzelt, die Wert auf die „vergängliche Schönheit“ Mono no aware legt.

Suzuki-Gras findet sich daher nicht nur in der Natur, sondern wird auch in der Kunst und in Gedichten.
In Haikus (jap. Gedichtform) vermittelt es die stille Schönheit und Einsamkeit des Mondbetrachtens, ganz im Stil des japanischen Wabi-Sabi, der Ästhetik des Unvollkommenen und Vergänglichen.
Durch silbriges Gras,
blickt der Mond sanft zur Erde,
still geht die Nacht auf.
Eva D. Geiger
Wie einsam das Boot
auf dem See im Abendlicht,
der Herbstmond steigt auf.
Matsuo Bashō
Suzuki-Gras verkörpert Stärke durch Zartheit und Beständigkeit durch Vergänglichkeit – eine leise, aber kraftvolle Botschaft. Es erinnert uns daran, dass auch die scheinbar kleinsten Dinge eine große innere Kraft und Schönheit besitzen können. Gerade in einer Zeit, in der alles schnelllebig ist, bietet Suzuki-Gras einen willkommenen Fingerzeig, die natürlichen Zyklen zu respektieren und die Stille der Herbsttage bewusst zu erleben.
Im Ikebana können wir mit diversen Varianten das Tsukimi feiern. Sehr gut geeignet sind die Blütenrispen des Miscanthus sinensis in verschiedenen Stadien, aber es können auch lediglich die Blätter verwendet werden, die eine schöne Bewegung in das Arrangement bringen. Die Blütenähren können bei den unterschiedlichen Varianten entweder silbrig, aber auch rötlich oder golden schimmern und die Blätterformen sind entweder schmal oder auch etwas breiter. Im Sommer sind sie grün oder wie beim Miscanthus sinensis Zebrinus gelb-grün, quergebändert und überhängend und verfärben sich im Herbst gelblich.

